„Die Tabuzone des Mannes – neue Therapiemöglichkeiten bei fortgeschrittenen Prostatakarzinomen“ – Rückblick vom 09. Mai 2016
Freche Fragen an Ärzte – IHK Erfurt und Zentralklinik Bad Berka
Einige Freche Fragen und die Antworten von Manal Sayeg, Oberärztin an der Klinik für Molekulare Radiotherapie:
Über Prostataprobleme sprechen ja die Wenigsten gern ausführlich oder gar öffentlich – wann sollte der Besuch beim Arzt nicht mehr aufgeschoben werden?
Sayeg: Wenn Männer Probleme beim Wasserlassen haben, Blut im Urin oder im Sperma bemerken und sich Potenzstörungen bemerkbar machen, ist es definitiv an der Zeit. Diese Warnsignale bedeuten nicht zwangsläufig, dass der Betroffene Prostatakrebs hat. Aber es sollte abgeklärt werden. Auch wenn sich viele Männer nur zu gern vor der Vorsorgeuntersuchung drücken: Damit kann auch schon ein Frühstadium erkannt werden und die Heilungschancen steigen.
Es gibt bei Prostatakrebs natürlich auch Risikogruppen – wer gehört dazu?
Sayeg: Das Alter ist der wichtigste Risikofaktor für Prostatakrebs. Ungefähr 6 von 10 Erkrankten sind älter als 65 Jahre. Auch die familiäre Veranlagung spielt eine große Rolle: Ist der Vater beispielsweise betroffen, steigt das Risiko auf das Doppelte, bei einem Bruder mit Prostatakrebs ist es bis zu dreimal so hoch wie in der übrigen männlichen Bevölkerung. Daher sollten Männer, in deren naher Verwandtschaft Prostatakarzinome vorkommen, ab dem 40. Lebensjahr zur Früherkennungsuntersuchung gehen. Eher selten betroffen sind Männer, die in jungen Jahren – vor oder unmittelbar nach der Pubertät – einen Hodenverlust erlitten haben.
Rauchen und Alkohol erhöhen generell das Krebsrisiko. Aber auch die Ernährung spielt eine wichtige Rolle. So ist Prostatakrebs bei Männern afrikanischen Ursprungs häufiger als bei Weißen oder Asiaten. In Europa und Nordamerika ist die Erkrankung relativ häufig, in Ostasien (China und Japan) dagegen eher selten. Einiges spricht dafür, dass diese Unterschiede auf Ernährung und Lebensführung zurückgeführt werden können, jedoch sind auch genetische Unterschiede denkbar.
Es halten sich auch Gerüchte – so besagt eine Studie dass ein aktives Sexualleben vor Prostatakrebs schützt, eine andere behauptet das Gegenteil – was denken Sie?
Sayeg: 2015 wurde eine amerikanische Studie vorgestellt, die den Zusammenhang von Prostatakrebs und der Häufigkeit von Ejakulationen untersuchte. Die Quintessenz: Männer können das Risiko an einem Prostatakarzinom durch häufige Ejakulationen senken. Die Studie ist mit 31.925 eingeschlossenen Männern, die größte ihrer Art. Eine Risikoreduktion von 10% zeigte sich bei Männern zwischen 40 und 49 Jahren, die zwischen 8 und 12 Ejakulationen im Monat angaben. Schlussfolgernd kann gesagt werden, dass ein aktives Sexualleben gut ist für die Prostata. Eine ältere Studie an der Universität Nottingham zeigte ein erhöhtes Prostatakarzinomrisiko bei Männern, die ihre Sexualität zwischen 20 und 40 Jahren besonders intensiv auslebten. Hingegen wirkte sich ein aktives Sexualleben bei Männern ab 50 Jahren eher vorbeugend aus. Im Alter zwischen 40 und 50 spielte Sex eine neutrale Rolle für den Männerkrebs. Die Forscher fanden außerdem heraus, dass die Masturbation mehr Einfluss auf das Krebsrisiko nahm als Geschlechtsverkehr. Interessant wäre es, eine Subgruppe mit Männern zu haben, die abstinent sind. Diesen Studien nach müssen Mönche ein stark erhöhtes Risiko haben, an einem Prostatakarzinom zu erkranken. Ich denke, diese Studien müssen kritisch gesehen werden. Wenn Mann Lust und Spaß an regelmäßigem Sex hat, sollte er das zur Steigerung seiner Lebensqualität ausleben. Wichtig ist die entsprechende Sexualhygiene und die Vermeidung sexuell übertragbarer Krankheiten (vor allem bei wechselnden Sexualpartnern) durch entsprechende Vorsichtsmaßnahmen.
In der Zentralklinik gibt es die thüringenweit einmalige Radio-Liganden-Therapie für Patienten mit metastasierten Prostatakarzinomen – das klingt nach Nuklearmedizin?
Sayeg: Die sogenannte peptidvermittelte Radioligandentherapie (PRLT) zur Behandlung von befallenen Lymphknoten und von Metastasen mittels Lutetium 177 wurde 2013 erstmalig weltweit in der Zentralklinik Bad Berka vom Chefarzt der Klinik für Molekulare Radiotherapie , Prof. Richard Baum, angewandt. Diese Substanz wird in der klinikeigenen Radiopharmazie für jeden Patienten individuell hergestellt. Nach der Theranostics-Methode wird zunächst die Zahl der „Andockstellen“ auf den Tumorzelle oder Metastasen im PET/CT ermittelt. Anschließend erhalten die Patienten die Therapiesubstanz und die Metastasen, die sich an den Tumoren oder Metastasen anreichert. Durch die dann folgende Bestrahlung werden die Metastasen oder auch lokale Tumorzellen intensiv bestrahlt, was dazu führt, dass die Metastasen in ihrem Wachstum gebremst werden, sich Tumorbefunde zurückbilden oder die Tumorzellen völlig vernichtet werden.
Diese Theranostics-Methode ist aber nicht für jeden geeignet?
Sayeg: Wir behandeln Patienten, die auf andere Behandlungsmethoden wie Hormontherapie, äußere Strahlentherapie oder Chemotherapie nicht mehr ansprechen.
cWerden die Kosten von der Krankenkasse übernommen?
Sayeg: Die Kosten werden i. d. R. von den Krankenkassen übernommen.
Gibt es Nebenwirkungen?
Sayeg: Langzeitwirkungen oder schädliche Langzeiteffekte sind bisher nicht aufgetreten. Bei mehrmaliger Therapie wird z. B. auch die Nierenfunktion kontrolliert. Eine Schädigung haben wir aber bisher nicht beobachten können. Es kann in seltenen Fällen zu Mundtrockenheit kommen, theoretisch können allergische Reaktionen auftreten, die wir aber bisher auch noch nicht feststellen konnten.
Die nächste Runde „Freche Fragen an Ärzte“ findet am Montag, 13. Juni 2016, 17.00 Uhr zum Thema „Wenn der Magen streikt, die Galle überläuft oder etwas über die Leber „gelaufen“ ist – Ursachen und Therapie von Schmerzen im Bauch“ statt. Veranstaltungsort ist der Saal der IHK Erfurt, Arnstädter Str. 34.