Spondylitis/ Spondylodiszitis
Infektion an der Wirbelsäule (Spondylitis= Entzündung der Wirbelkörper und Spondylodiszitis= Entzündung bzw. Eiterung auch der dazwischen liegenden Bandscheibe) ist eine selten auftretende Erkrankung. In West- und Nordeuropa treten jährlich ca. 5 - 22 Neuerkrankungen pro 1.000.000 Menschen auf.
Die prädisponierende Faktoren sind: Diabetes Mellitus (Zuckererkrankung), Alkoholismus (Alkoholabhängigkeit), immunsupprimierende Medikamente, HIV, Adipositas. Häufig findet man nicht die verursachende Stelle, von der dann über die Blutbahn Bakterien in die Wirbelsäule eingeschwemmt werden. Gelegentlich zeigt sich, dass Harnwegsinfekte, Zahneiterungen oder medizinische Behandlungsmaßnahmen wie Infiltrationen oder Katheterimplantationen verursachend waren.
Ausgangspunkt der Entzündung sind die Gefäßgeflechte der Grund- und Deckplatte: Von hier breitet sich die Entzündung in die Bandscheibe aus. Es kann sich eine Eiteransammlung bilden. Von hier kann sich ein Abszess sowohl nach hinten (=dorsal), Richtung Rückenmarkskanal, als auch nach vorne (=ventral), Richtung Halsweichteile oder Brustraum bzw. Bauchraum und sogar entlang der Hüftbeugemuskeln (M. Iliopsoas) bis zum Hüftgelenk ausbreiten.
Das klinische Bild einer Spondylodiszitis ist oft uncharakterisisch. Eine sofortige Diagnostik und Therapie ist daher notwendig, insbesondere um neurologische Defizite und Spinaldeformitäten zu vermeiden.
Die Symptome beginnen nach einer schmerzfreien Phase mit zunehmenden Schmerzen an der betroffenen Region der Hals-, Brust- oder Lendenwirbelsäule, begleitend durch erhöhte Temperaturen und Nachtschweiß. Die Wirbelsäulenschmerzen strahlen bei einigen Patienten in den Hals bzw. in die Arme (Halswirbelsäule) oder in die Beine (Lendenwirbelsäule) aus. Schmerzausstrahlung in weniger typische Regionen wie in den Bauch oder in die Brust kann zu erheblichen Diagnoseverzögerungen beitragen. Die Spondylodiszitis sollte bei therapieresistenten Nacken- oder Rückenschmerzen sowie deutlich erhöhten Entzündungsparametern als Differentialdiagnose in Betracht gezogen werden.
Bei verzögerter Diagnostik kann eine Infektion der Wirbelsäule bei Fortschreiten zur erheblichen Zerstörung der knöchernen Strukturen und damit verbundenen Fehlstellung der Wirbelsäule führen. Dies kann neurologische Ausfällen bis hin zur akuten Querschnittlähmung hervorrufen. Bei bis zu 50% der Patienten bestehen bei stationärer Aufnahme in Krankenhäuser neurologische Ausfälle! Außerdem kann sich eine lebensbedrohliche Allgemeinerkrankung aufgrund der Sepsis (Blutvergiftung) entwickeln.
Laborchemische Diagnostik: CRP ist der wichtigste diagnostische Hinweis und Verlaufsparameter. Trotz Blutkultur, Punktion (auch CT-gestützt) oder dem intraoperativen Abstrich gelingt der Nachweis des Erregers nur in 87% der Spondylitis Patienten.
Die entscheidende bildgebende Untersuchung zur Darstellung der Ausdehnung der Entzündung und der Abszesse ist die MRT-Untersuchung ohne und mit Kontrastmittel. Wichtig ist auch das normale Röntgenbild. Dort sind die Aufhebung des Zwischenwirbelraums und Zerstörungen der Grund- und Deckplatten festzustellen. Wenn keine MRT-Untersuchung möglich ist (aufgrund eines Herzschrittmachers etc.) kann man durch eine CT (Computertomographie) die knöcherne Beteiligung feststellen.
Die Knochenszintigraphie (eine Isotopuntersuchung) zeigt eine Mehranreicherung in der betroffenen Region mit geringer Spezifität.
An unserer Klinik bevorzugen wir die PET-Untersuchung (Positronen-Emissions-Tomographie). Die Aussagefähigkeit dieser Untersuchung ist gegenüber der Knochenszinitgraphie deutlich höher und durch die parallel durchgeführte Schnittbilddiagnostik im PET-CT sind genaue örtliche Zuordnungen der entzündlichen Mehranreicherungen zu den betroffenen Wirbeln möglich.
Die Therapie der Spondylodiszitis oder Spondylitis ist abhängig von dem Ausmaß der Zerstörung von Wirbelkörpern und Bandscheibenfach. Ferner sind wichtig die Reduktion des Allgemeinzustandes, Entzündungswerte bei Blutuntersuchungen und ob, bzw. welche Lähmungserscheinungen bereits bestehen.
Konservative Therapie ist bei geringer Weichteilkomponente, minimaler knöcherner Destruktion, nicht betroffenem Spinalkanal und dem Fehlen von neurologischen Ausfällen angebracht.
Eine Antibiose mit breitem Spektrum und Immobilisierung (zuerst Bettruhe, dann nach Rücklauf der Entzündungswerte mit Stützorthese) ist indiziert. Falls durch Blutkultur oder Punktion ein Keimnachweis besteht, so wird die Antibiose keimspezifisch angepasst und mindestens 12 Wochen lang eingenommen.
Falls o.g. Kriterien der konservativen Therapie nicht gegeben sind, ist eine operative Versorgung erforderlich: die Abszesse werden entlastet, die betroffene Bandscheibe wird ausgeräumt und die Nachbarwirbelkörper werden angefrischt, d.h. die abgestorbenen (nekrotische) Knochenanteile werden entfernt (=debridiert).
Bei größerem knöchernem Defekt muss manchmal der betroffene Wirbelkörper komplett entfernt werden. Zur Wiederherstellung der vorderen lasttragenden Säule wird der Defekt mit einem Titanium Platzhalter (d.h. „Korb“= Cage) ausgefüllt, welche mit Eigenknochen und einem Antibiotikum aufgefüllt wird. Diese Eingriffe werden in der Regel von vorne durchgeführt.
An der Halswirbelsäule ist die postoperative Stabilisierung mit einer Halskrause erforderlich; bei höherer Instabilität dagegen ist vorteilhafter, in gleicher Narkose eine hintere (d.h. dorsale) Stabilisierung mit einem überbrückenden Schrauben-Stab-System durchzuführen und orthesenfrei nachzubehandeln.
An der Brust- und Lendenwirbelsäule ist eine ventro-dorsale (vordere und hintere) Versorgung immer nötig (ventrale Ausräumung des Infektes und dorsale Stabilisierung der Wirbelsäule).
An der Brustwirbelsäule ist in unserem Haus Standard, ein thorakoskopisch gestütztes (in Schlüssellochtechnik – minimal-invasiver Chirurgie = MIC) ventrales Debridement für die vordere Sanierung. Dies wird in gleicher Narkose kombiniert mit der dorsalen Stabilisierung, welche offen oder zunehmend in percutaner Technik ebenfalls minimal invasiv erfolgt.
An der Lendenwirbelsäule ist ein ventraler retroperitonealer Zugang Standard mit Debridement, Defektauffüllung und mit perkutaner dorsaler Stabilisierung.
Ab dem Zeitpunkt des intraoperativen Abstrichs wird eine blinde Antibiose mit breitem Spektrum eingestellt, welche aufgrund des Abstrichergebnisses keimspezifisch angepasst wird und mindestens 12 Wochen lang genommen werden sollte.
Die Verlaufskontrolle erfolgt durch regelmäßige Kontrollen der Röntgenbilder und der Entzündungswerte.
Generell ist festzustellen, dass diese relativ aufwendigen und auch bei Verwendung von minimal-invasiven Verfahren noch großen operativen Eingriffe von diesen meist schwerkranken Patienten im Allgemeinen gut vertragen werden und in der Regel zu rascher Heilung führen.